Ein strenger Mann, manches Mal zu streng. Seine Ablehnung gegenüber dem Nationalsozialismus verschwieg er nicht, hielt trotz des Verbots Bibelstunden, 1941 wurde er verhaftet. Er wurde wieder entlassen und sofort an die Front geschickt. Die Mutter erfuhr von der Gestapo: Seien Sie froh, dass Ihr Mann an die Front kommt, anderenfalls wäre er im KZ gelandet.
Im Januar 1945 rückte die russische Front immer näher an Schlawe heran (Christian hat aus dieser Zeit Briefe seiner Mutter, die ihrem Mann täglich an die Front schrieb). Die Mutter, 28 Jahre alt, hochschwanger, zog mit ihren Kindern nach Kolberg um, Christian ist 2 1/2 Jahre, seine Schwester 4 Jahre alt. Das Baby kam 8 Wochen zu früh zur Welt und musste im Krankenhaus gepflegt werden. Anfang März '45, nachdem Kolberg eingeschlossen und weitgehend zerstört war, wurde auch das Säuglingsheim getroffen. Der kleine Bruder kam ums Leben und musste im Garten des Hauses begraben werden. In dieser Situation versuchte die Mutter, als eine von Zehntausenden, die gleichzeitig am Hafen warteten, einen Platz auf einem Flüchtlingsschiff zu ergattern. In unserer Runde steigt die Spannung. So manch einer ist froh und dankbar, dass er nicht in dieser Zeit lebt.
Endlich, in letzter Minute, kurz bevor die Stadt vollständig von den Russen besetzt wurde, kam sie mit ihren zwei Kindern auf ein Schiff. Kurz vorher kam die Nachricht vom Untergang des Flüchtlingsschiffes "Wilhelm Gustloff" nicht weit von Kolberg: 9.000 Tote, nur 1.100 Überlebende! Russische U-Boote! Angst vor dem Ertrinken!
Das Schiff mit Christian als Passagier hätte eigentlich im Hafen von Swinemünde ankommen sollen. Wären sie dort gewesen, wäre das Schiff durch die 1.100 amerikanischen Flugzeuge, die an diesem Tage Hafen und Stadt Swinemünde in einem Inferno ausradierten, wahrscheinlich versenkt worden. Doch der Kapitän entschied sich für einen anderen Kurs. Wir staunen über die glückliche Fügung. Christian nennt sie Führung Gottes.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Zeitgeschichte in der Schule so spannend erlebt habe! Es bleibt noch Zeit für einige Nachfragen. Wir sind gespannt auf eine Fortsetzung. Gemeinsam beten wir für unsere Familien und Kinder, und auch für die Familie von Christian. Dank für die Bewahrung in schwieriger Zeit!
Jürgen Temps